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1.200 Geflüchtete und Migrant:innen helfen nach Flutkatastrophe

1.200 Geflüchtete und Migrant:innen helfen nach Flutkatastrophe

Frankfurt am Main, 05. August 2021 – Nach den Flutkatastrophen in mehreren deutschen Städten sind hunderte Geflüchtete und Migrant:innen aus ganz Deutschland zur Katastrophenhilfe und Unterstützung des Wiederaufbaus ins Ahrtal angereist. Bund, Länder und Kommunen können aufgrund des Ausmaßes an Zerstörung nicht überall gleichzeitig Hilfe leisten. Die zerstörten Gebiete sind deswegen auf die Ehrenamtlichen angewiesen. Time to Help e.V. mobilisierte 1.200 vorwiegend muslimische Menschen, viele darunter Geflüchtete. Sie helfen bei der Versorgung, räumen Schutt und putzen sogar Kirchen.

Nach der Flutkatastrophe, die vor allem das Ahrtal in Rheinland-Pfalz ereilt hat, bestand ein akuter und erheblicher Bedarf an Hilfe für den Wiederaufbau. Der Offenbacher Verein Time to Help e.V. hat in Zusammenarbeit mit 28 Vereinen aus ganz Deutschland 1.200 Helfer:innen mobilisiert, die seit 20 Tagen in den betroffenen Gebieten aktiv sind. Vor Ort koordiniert Songül Erdem von Merida e.V. (Sinzig) die Ehrenamtlichen. Normalerweise organisiert sie Sprachkurse, ist im interreligiösen Dialog aktiv und engagiert sich im Empowerment von Frauen. Seit drei Wochen kümmert sie sich um die Versorgung mit Lebensmitteln und Trinkwasser, organisiert Sachspenden und leistet mit den angereisten und ansässigen Unterstützer:innen humanitäre Hilfe im Ahrtal.

Die Ehrenamtlichen haben dabei zum überwiegenden Teil einen Migrationshintergrund. „Die meisten der Angereisten sind als Asylsuchende nach Deutschland gekommen und haben hier Hilfe erhalten. Sie freuen sich, nun etwas zurückgeben zu können“, so Erdem. Sie betont die Vielfalt der Hintergründe und Geschichten. Menschen mit europäischer Migrationshistorie, beispielsweise aus Portugal oder Belgien, arbeiten mit Menschen mit kurdischem, jesidischem, syrischem oder eben türkischem Migrationsbezug Hand in Hand mit Deutschen ohne einen solchen.

Solidarität statt Spaltung durch rechte Populist:innen

Asyl und Flucht sind seit der sogenannten Flüchtlingskrise im Jahr 2015 ein anhaltendes gesellschaftspolitisches Thema. Aktuell wird die Flutkatastrophe auch von rechtspopulistischen Medienmacher:innen instrumentalisiert. Ihr Ziel ist es, das Vertrauen in den Staat zu schwächen und völkische sowie rechtsradikale Botschaften zu verbreiten. Der als Holocaust-Leugner verurteilte Nikolai Nerling berichtet beispielsweise auf Telegram aus Ahrweiler und schürt Ängste, dass die Gebiete in fremde Hände, beispielsweise der sogenannten Globalist:innen, gelangen würden. Rechtsradikale benutzen diesen Begriff, um vor der „Zerstörung“ der Nation, beispielsweise durch Migrationsströme, zu warnen.

Dagegen berichten die Vereine vor Ort von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und einem Geist der Solidarität. Die Grundlage dafür wurde bereits in den letzten Jahrzeiten geschaffen. Der migrantisch geprägte Verein Merida e.V. arbeitet seit vielen Jahren mit den katholischen und evangelischen Kirchen und mit einigen lokalen, sozialen Institutionen zusammen. Das führte zu einer symbolträchtigen Geste: Auf Bitte des ansässigen Pfarrers haben die vorwiegend muslimischen Helfer:innen der Vereine bei der Reinigung der katholischen Kirche in Altenahr geholfen. Cengiz Bayram, Geschäftsführer von Time to Help, wünscht sich, dass diese positiven Ereignisse mehr Platz in der öffentlichen Wahrnehmung erhalten. „Natürlich ist die Berichterstattung über die Querdenken-Bewegung oder Plünderung vor Ort wichtig. Wir müssen uns aber auch Zeit für die positiven Momente und die große Solidarität nehmen, die keine Nationalität oder Religion kennt.“

Warum ist die freiwillige Unterstützung so wichtig?

Die entstandenen Schäden sind so erheblich, dass die staatliche Katastrophenhilfe durch Bund und Länder nur nach und nach in allen betroffenen Gebieten Unterstützung leisten kann. Entgegen der zunehmenden Kritik an der Regierung und den staatlichen Institutionen, möchte Erdem auf die großen Anstrengungen aller Beteiligten hinweisen. „Die staatlichen Institutionen arbeiten genau wie wir an der Grenze ihrer Belastbarkeit.“

Die Städte und Gemeinden sind deswegen auf die Unterstützung durch ehrenamtliche Helfer:innen angewiesen. Auch wenn die Bundeswehr und das Technische Hilfswerk (THW) bereits aktiv sind, besteht ein großer Bedarf. Während die Bundesinstitutionen sich um die Beseitigung von Großschäden, die Freilegung von Straßen oder die Wiederherstellung der Grundwasserversorgung kümmern, können die Helfenden durch das Freischaufeln verschlammter Keller, das Abtragen von Schutt oder die Versorgung mit Mahlzeiten und Trinkwasser einen wichtigen Beitrag leisten. „Wir arbeiten eng mit der Stadt, dem THW und ansässigen Institutionen zusammen“, so Songül Erdem.

Bildmaterial:
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Türkische Übersetzung

Time to Help e.V.

Nicolai Kehl
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Waldstraße 45,
63065 Offenbach am Main
Tel.: 069 80906210
E-Mail: [email protected]
www.timetohelp.eu